Ende

Ende
Das ist das Ende vom Lied: das ist der unausbleibliche Ausgang der Sache, das ist das unerfreuliche Ergebnis; nordostdeutsch: ›Dat is dat Eng vom Leed‹: die betrübliche Folge; niederländisch: ›Dat is het einde van het lied‹. Man sagt auch scherzhaft ›Das Ende vom Lied war, daß alles beim Alten blieb‹.
   Die Redensart bezieht sich auf den oft traurigen Ausgang alter Volkslieder. Schon in Wolframs ›Parzival‹ (475, 18) heißt es ähnlich: ›sus endet sich dîns maeres dôn‹ (vgl. auch Tit 17, 4). Luther ist die Redensart ebenfalls bekannt, doch bedeutet sie bei ihm einfach: dabei bleibt es, damit hört es auf: »vnd ist dieses das Ende vom Liede, wenn sie es theten oder erleubten, so were es Recht, aber weil wirs thun vnd erleuben, so ists Vnrecht« (Jenaer Ausgabe 4, 383a).
   In einem Briefe vom 28. Juli 1718 an ihre Stiefschwester Louise spottet Lieselotte von der Pfalz über den jähen Abbruch der so hoffnungsvoll begonnenen Karriere einer französischen ›Musiklehrerin‹, »daß ist daß Endt vom liedt«.
   Das ist vor seinem Ende: das hat man nicht von ihm erwartet, das ist wider seine Natur; eigentlich: das ist eine so befremdende Handlung von ihm, daß sein Lebensende als nahe vermutet werden darf. Die Redensart ist besonders im Obersächsischen verbreitet.
   Das dicke Ende kommt (folgt) nach: das Schlimmste kommt zuletzt, es wird wohl noch eine unangenehme Überraschung geben. Möglicherweise rührt die Wendung vom Kampf Mann gegen Mann im Handgemenge her: wenn im Nahkampf die Gewehre nur noch gebraucht werden konnten, um den Gegner mit dem schweren Kolben niederzuschlagen. Wahrscheinlicher nimmt die Redensart ihr Bild von der Prügelstrafe und der dabei verwendeten Rute oder Peitsche, die man, in immer größere Wut geratend, schließlich umdreht, weil das dicke Ende mehr zieht. Die Redensart läßt sich aber auch vom Durchziehen eines vorne dünnen, hinten dicken Gegenstandes durch eine Öffnung erklären, z.B. eines Fadens durch eine Nähnadel, wobei dann das dicke Ende mehr Schwierigkeiten bereitet als der dünne Anfang.
   Von der Schweiz bis nach Norddeutschland verbreitet ist die Wendung: ›Das Ende trägt die Last‹: Das Alter ist voller Beschwerden. Etwas am richtigen Ende anfassen: es geschickt anfangen; vgl. französisch ›prendre les choses par le bon boût‹; englisch: ›He has the better end of the string‹: in diesem Falle befindet er sich im Vorteil; oder: ›Er hält das gute Ende auf seiner Seite‹: er ist materiell hinlänglich gesichert. Die uckermärkische Wendung ›De hätt doa biet dick Enn‹ besagt, bei jemandem gut angeschrieben sein. Fatal wäre ›am onrechte Eng spare‹ (ostpreußisch), das hieße, ›Er hat es am verkehrten Ende angefangen‹; niederländisch: ›Hij heeft het bij't verkeerde einde aangegrepen‹.
   Dagegen kommt am längeren (kürzeren) Ende ziehen: sich im Vorteil (Nachteil) befinden, vermutlich von der mittelalterlichen Sitte, einen Streit zu schlichten, indem beide Parteien einen Strohhalm ziehen mußten; wer den kürzeren zog, hatte verloren; vgl. die französische Redensart ›tirer à la courte paille‹ und ›Den Kürzeren ziehen‹ ( kurz).
   (Da ist) das Ende von weg: das ist ein starkes Stück. Die ursprünglich berlinische Redensart ist ziemlich jung. Sie beruht auf der sonderbaren Vorstellung, man könne von einem Ganzen ein Stück abschneiden und es durch diese Manipulation ins Grenzenlose ausdehnen; auch in der Mundart belegt, nordostdeutsch: ›Nu es oawer det Eng von weg!‹ Ausdruck lebhafter Entrüstung.
   Am Ende (parodierend auch: am Arsch) der Welt: am äußersten Ende der Stadt, des Landes; in sehr weiter Entfernung. Ein übertreibender Ausdruck, der aber auf dem älteren Volksglauben beruht, wonach die Welt irgendwo eine Grenze und ein Ende hat; vgl. französisch ›Au bout du monde‹. Ähnlich ›Hier ist die Welt mit Brettern vernagelt‹ ( Brett). Diese räumlich-geographische Auffassung, die die Kugelgestalt unseres Planeten ignoriert, spielt im Volksglauben eine bedeutende Rolle. Als Ort geheimnisvoller Mächte und Gestalten und Inbegriff extremer Ferne lebt sie im Märchen und Mythos vieler Völker. Dahin etwa wandert die Schwester der sieben Raben auf der Suche nach den verlorenen Brüdern (Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm 25). Das ›Ende der Welt‹ taucht noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts in phantastischen Reiseberichten auf.
   Als poetischer Ausdruck wirkt es noch lange; ›Jemandem bis ans Ende der Welt folgen‹ heißt: überallhin mit hingehen, ihn niemals verlassen.
   Aus Shakespeares ›Sommernachtstraum‹ (V,1) zitiert man: Das ist der Anfang vom Ende (»That is the true beginning of our end«), während französisch ›C'est le commencement de la fin‹ in den hundert Tagen der Regierungszeit Napoleons I. nach seiner Rückckehr von Elba (1815) Talleyrand zugeschrieben wurde (vgl. Fournier: L'Esprit dans l'histoire [Paris 4. Auflage 1882], S. 438).
   Ein Ende mit Schrecken nehmen ist eine biblische Wendung und stammt aus der Übersetzung von Ps 73, 19. Eine Erweiterung dieses Ausdruck sind die Worte Ferdinand von Schills (1776-1809) am 12. Mai 1809 auf dem Marktplatz von Arneburg an der Elbe. Der begeisterten Schar, die ihm von Berlin aus nachgezogen war, rief er zu: »Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende!« (vgl. Büchmann). Sein Zug ›nahm kein gutes Ende‹.
   Die Wendung am letzten Ende, die heute ›schließlich‹ oder ›vielleicht‹ bedeutet, war ursprünglich eine Umschreibung für das Ende des Erdenlebens, für Sterben. In Murners ›Schelmenzunft‹ (34,19) heißt es:
   Wen einer nach sym letsten endt
   Uff erden laßt ein bösen namen,
   Des all syn kindt sich miessent schamen,
und bei Adam Reusner (1496-1575):
   O wahrer Gott, aus aller Not
   hilf mir am letzten Ende
   (›In dich hab ich gehoffet, Herr‹).
Die neuere Redensart Es geht mit jemand zu Ende: er stirbt, gehört in den gleichen Zusammenhang, nordostdeutsch: ›mit dem geiht et to End‹. Literarisch ist sie bezeugt in C.F. Meyers Gedicht ›Hussens Kerker‹.
   Es geht mit mir zu Ende,
   Mein Sach und Spruch ist schon
   Hoch über Menschenhände
   Gerückt vor Gottes Thron.
Sie findet sich in zahlreichen Varianten: ›Sein Ende nahen fühlen‹: er liegt im Sterben; ›Er ist am Ende des Stegs angekommen‹; vgl. französisch ›Il est au bout‹; niederländisch: ›Hij is aan het eind van den acker‹; während die Wendung völlig am Ende sein körperliche Erschöpfung und Verausgabung von aller Kraft in geistigem und wirtschaftlichem Bereich meint; vgl. französisch ›être au bout de ses forces‹; verständlich, wenn in einer solchen Situation ein Verzweifelter ›Seinem Leben ein Ende setzt‹: Selbstmord verübt. Aus der Welt des Sports in die Schülersprache eingegangen ist der ›Endspurt‹, d.h. die Tempobeschleunigung unter Ausschöpfung der letzten Reserven: später Fleiß in den wenigen noch verbliebenen Wochen vor der Versetzung. Berühmtes Beispiel für die Verschiebung der ›Endrunde‹ beim Boxsport (den Regeln nach die 15.) bilden zwei Weltmeisterschaftskämpfe um die Mitte der dreißiger Jahre. Während Max Schmeling Joe Louis erst in der 12. Runde bezwang, verwandelte der ›braune Bomber‹ beim zweiten Aufeinandertreffen bereits die erste in die Schlußrunde.
   Als Spiel mit dem Begriff ›Ende‹, der zwei Kategorien, Raum und Zeit, in sich faßt, erscheint als scherzhafte Negierung einer unveränderlichen Tatsache die bekannte Wendung ›Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei‹; nordostdeutsch: ›Jedet Ding heft een End, oawer de Worscht twee on de Fiertang [Feuerzange] dree‹; englisch: »All things have end, and what we call a pudding has his two«. (Beamont A. Fletcher, The Knight of the Burning Pestle, I, 2).
   Das Gegenteil, die traurigen Überreste einer Sache etwa, meist noch im Diminutiv, erscheint weniger imponierend: ›Er redet wie ein Endchen Licht‹: ohne nachzudenken, dummes Zeug, nichts steckt dahinter; aber: ›Sie werden mir wohl ein Endchen Licht erlauben‹: in diesem Punkt werde ich meine eigene Meinung zu vertreten wissen (Hermes, Sophiens Reise 4, 18). Für ostpreußische Hartnäckigkeit steht auch ›He mot sin Eng nicht losloate‹ das heißt sein Stück behaupten. Um in solchen und anderen Fällen den Ausgang voraussagen zu können, müßte man ›Das Ende vom Ende wissen‹: alles durchschauen, in alles eingeweiht sein.
• R. WEHSE: Artikel ›Ende der Welt‹, in: Enzyklopädie des Märchens III, Spalte 1406-1409; H. BÜLD: Niederdeutsche Schwanksprüche zwischen Ems und Issel (Münster 1981), S. 21.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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