Schwelle

Schwelle
An der Schwelle von etwas stehen: an einer wichtigen Grenzlinie angelangt sein, einen neuen Lebensabschnitt beginnen, kurz vor einem Neubeginn zur Rückbesinnung noch etwas verhalten. Vergleiche französisch ›être au seuil de quelque chose‹.
   Die Wendung wird heute oft und gern bei besonderen Anlässen gebraucht. Wir sprechen z.B. davon, daß jemand An der Schwelle des Mannesalters, des Todes stehe, daß An der Schwelle des 20. Jahrhunderts eine neue Entwicklung begonnen habe.
   Die moderne Redensart bewahrt die Erinnerung an die große Bedeutung der Schwelle im Volksbrauch und Volksglauben. An ihr werden bestimmte Übergangsriten (›rites de passage‹) verrichtet, z.B. wird noch heute die Braut zu Beginn der Ehe über die Schwelle ihres neuen Heims getragen. Die Schwelle galt auch als Grenze für die bösen Geister, die dem Hause fernbleiben mußten.
   Jemanden (etwas) auf der Schwelle begrüßen: Besucher nicht ins Haus hereinbitten, sondern sie unhöflich an der Tür empfangen, um sie bald wieder loszuwerden. Heute sagt man dafür häufiger: ›Jemanden vor der Tür stehen lassen‹ oder ›An der Tür abfertigen‹. Dasselbe meint die Wendung: An der Schwelle auf die ›Schnelle‹. Es bedeutet aber auch: nur oberflächliche Bekanntschaft mit etwas, z.B. mit einem großen Wissensgebiet, machen.
   Jemandes Schwelle nicht mehr betreten wollen, auch: Keinen Fuß mehr über diese Schwelle setzen: sein Haus, seine Wohnung nicht mehr betreten, jemanden nach einer großen Beleidigung streng meiden. Vergleiche französisch ›Ne plus vouloir mettre les pieds chez quelqu'un‹ (wörtlich jemandes Haus nicht mehr betreten wollen).
   Er kommt mir nicht mehr über die Schwelle: er darf sich bei mir nicht mehr sehen lassen. Oft wird die Wendung in Form eines direkten Befehls gebraucht: Daß du mir nicht mehr über die Schwelle kommst!: Laß dich hier nicht mehr blicken! Vergleiche französisch ›Ne remets plus les pieds chez moi!‹
   Er ist auf der Schwelle (schon) gefallen: gleich zu Beginn seines Unternehmens hatte er Mißerfolg. Vergleiche lateinisch ›in porta impingere‹. Ähnlich: Er ist auf der Schwelle schon müde geworden: Kraft und Mut haben ihn schon zu Anfang verlassen.
   Erst vor der Schwelle niederfallen (zusammenbrechen): nach beendetem Geschäft, bei der fast glücklich vollendeten Heimkehr noch einen Unfall haben, seine letzte Kraft verlieren.
   Die Schwelle des Bewußtseins kaum (nicht mehr) erreichen können: eine Empfindung kaum wahrnehmen können, auf nichts mehr reagieren; vgl. französisch ›le seuil de la conscience‹.
   ›Schwellenangst haben‹, übertragen: jede Angst vor etwas Neuem oder Unbekanntem.
• L. WEISER-AALL: Artikel ›Schwelle‹ in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens VII, Spalte 1509-1543; A.V. GENNEP: Übergangsriten (französisch ›Les rites de passage‹) (Frankfurt/M. 1986).

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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