Schoß

Schoß
Etwas in seinem Schoß tragen: etwas ganz besonders lieben und pflegen, es behutsam behandeln und schützen. Die Redensart bezieht sich ursprünglich auf die Zärtlichkeit der Mütter zu ihren Kindern; vgl. französisch ›porter quelque chose dans son sein‹.
   So sicher wie in Abrahams Schoß sein: ohne Angst und Gefahr sein; häufiger sagt man dafür: In Abrahams Schoß sitzen: wie in der Seligkeit, wie im Paradies leben. Diese Wendung beruht auf Lk 16, 22, wo es heißt: »Es begab sich aber, daß der Arme starb und ward getragen von den Engeln in Abrahams Schoß«, Abraham. Schiller gebrauchte diesen Ausdruck literarisch in der ›Kapuzinerpredigt‹ (›Wallensteins Lager‹, V. 550): »Wie machen wir's, daß wir kommen in Abrahams Schoß?« Vgl. frz. ›Dans le sein d'Abraham‹ und ›dans le sein de Dieu‹.
   In den Schoß der Familie zurückkehren: als Teil der Familie in ihrem Kreis wieder Sicherheit und Geborgenheit finden; nach langer Abwesenheit, nach Irrwegen und Enttäuschung Zuflucht suchen; vgl. französisch ›revenir au sein de sa famille‹.
   Im Schoß der Erde ruhen: im Innern der Erde verborgen, begraben sein; vgl. französisch ›au sein de la terre‹.
   Das ruht noch im Schoß der Götter (der Zeit, der Zukunft): es ist sehr ungewiß, es läßt sich nicht voraussagen. Diese Redensart ist eigentlich ein Zitat aus Homers ›Ilias‹ (XVII, 514): »teon en goynasi keitai« = das liegt (ruht) noch im Schoße der Götter. Gebräuchlicher dafür ist aber die Kurzform ›Das wissen die Götter‹, wissen.
   Etwas ist einem in den Schoß gefallen: es ist einem sehr leicht gemacht worden. Eine Steigerung erfährt die Wendung durch den Zusatz ›als reife Frucht‹ oder ›wie eine reife Frucht‹: jemandem unerwartet, wie ein Geschenk zufallen. Vergleiche niederländisch ›Het wordt hem zoo maar in den schoot geworpen‹.
   Es ist einem nicht in den Schoß gefallen: es hat großer Anstrengung und Mühe bedurft; der Erfolg ist nicht leicht zu erringen gewesen und wirklich verdient.
   Die Hände in den Schoß legen: nichts tun, abwarten und zusehen, Hand.
   Ein Schoßkind des Glücks sein: ein vom Glück begünstigter Mensch sein. Ein Schoßkind der Natur sein: mit allen körperlichen und geistigen Vorzügen ausgestattet sein, mit allen Gaben verwöhnt worden sein.
   Die Vorstellung vom ›Schoßkind des Glücks‹ geht bis in die Antike zurück. Neid auf das von den Eltern bevorzugte Kind, das begabt, schön und liebenswert ist, spricht aus den Worten von Franz in Schillers ›Räubern‹ (I, 1), als es ihm gelungen ist, seinen Bruder Karl in die Verzweiflung zu treiben: »Glück zu Franz! Weg ist das Schoßkind«.
• R.B. ONIONS: On the knees of the gods, in: Classical Review 38 (1942), S. 24.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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  • Schoß — [ʃo:s], der; es, Schöße [ ʃø:sə]: Vertiefung, die sich beim Sitzen zwischen Oberkörper und Beinen bildet: sich auf jmds., sich jmdm. auf den Schoß setzen; sie hatte ihre Puppe auf dem Schoß; die Mutter nahm das Kind auf den Schoß; das Kind wollte …   Universal-Lexikon

  • Schoß — steht für: Schoß (Körper), die beim Sitzen durch Unterleib und Oberschenkel gebildete Körperzone Schoß (Kleidung), ein angesetzter Teil an männlichen Kleidungsstücken Schoß (Steuer), eine Besteuerungsform im Mittelalter Schoß ist auch ein… …   Deutsch Wikipedia

  • Schoß — Schoß: Das gemeingerm. Substantiv mhd. schōz̧, ahd. scōz̧‹o›, scōz̧a »Kleiderschoß, Mitte des Leibes«, got. skaut »Schoß; Saum«, aengl. scēat, aisl. skaut »Schoß; Ecke; Zipfel« ist zu dem unter ↑ schießen behandelten Verb gebildet mit der… …   Das Herkunftswörterbuch

  • Schōß — Schōß, s. Schooß …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Schŏß — Schŏß, 1) so v.w. Schößling; 2) so v.w. Stockwerk, 3) eingestürztes Erdreich od. Gestein; 4) eine Schub od. Fallthüre; 5) eine Abgabe an die Obrigkeit; 6) im engeren Sinne in den Städten eine Abgabe, welche zu den städtischen Angelegenheiten… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Schoß — Schoß, früher Benennung für Steuern, insbes. für Vermögenssteuern (Hufen , Giebelschoß) …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Schoß — Schoß, veraltet für Abgabe, Steuer …   Kleines Konversations-Lexikon

  • -schoß — schoß, gesprochen schoss, ist eine Ortsendung am Unterlauf des Wahnbachs, beziehungsweise der Dörfer um die Wahnbachtalsperre. Weitere Orte mit gleicher Endung sind Mayschoß, Prischoß und Vettelschoß, wobei nicht zwingend von einer gemeinsamen… …   Deutsch Wikipedia

  • Schoß — Scho̲ß der; es, Schö·ße; 1 die Fläche, die die Oberschenkel und der Unterleib bilden, wenn man auf einem Stuhl sitzt, und auf die sich z.B. ein Kind setzen kann <sich auf jemandes Schoß setzen / sich jemandem auf den Schoß setzen; die Hände in …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

  • Schoß — Schoß1 Sm std. stil. (8. Jh.), mhd. schōz m./n., schōz(e) f., ahd. scōz, mndd. schōt, mndl. sc(h)oot Stammwort. Aus g. * skauta , meist Maskulinum, aber auch Neutrum und Femininum kommen vor, im Gotischen ist das Genus (m. oder n.) nicht… …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

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