Luftschloß

Luftschloß
Luftschlösser bauen: unausführbare Pläne entwerfen, sich kühne Hoffnungen machen, die wenig Aussicht auf Erfüllung haben, sich seinen Wunschträumen und Phantasiespielen überlassen.
   Luftschloß in der Bedeutung ›Phantasiegebilde‹ ist seit der Mitte des 17. Jahrhunderts bezeugt und 1691 von Stieler gebucht. Voraus geht »Ein Schloß in den Lufft bawen« (1541 bei Sebastian Franck). Im Englischen entspricht ›to build castles in the air‹, was gleichfalls seit dem 16. Jahrhundert bezeugt ist; niederländisch ›luchtkastelen bouwen‹; auch französisch entsprechend ›bâtir en l'air‹.
   Schon bei dem Kirchenvater Augustin (354-430) heißt es (›Sermones‹ 2, 6; 8): »subtracto fundamento in aere aedificare« (= nachdem einem das Fundament entzogen ist, in die Luft bauen). Das Bild vom Toren, der auf ungeeignetem Boden baute, ist im christlichen Abendland seit Matth. 7,26 allgemein bekannt gewesen (vgl. ›Auf Sand bauen‹), Sand.
   Das Wort ›Schloß‹, das es im Althochdeutschen noch nicht gab, bedeutete seit dem Mittelhochdeutschen eine ›feste Burg‹. Erst durch spätere Bedeutungsverengung trat der Sinn ›Befestigung‹ zurück und wurde das Schloß zum glanzvollen Fürsten- und Herrensitz auch ohne Befestigungsanlage. Eine Festung ist aber nur fest und also sinnvoll, wenn sie selber auf festem, sicherem Grund gebaut ist. Demgegenüber steht ›Luft‹ in dieser Redensart für ›Ungrund‹ schlechthin. So gab es denn auch die Variante ›Ein Schloß auf Eis bauen‹ ( Eis), holländisch ›Kasteelen op het ijs bouwen‹, oder mittelhochdeutsch im gleichen Sinne: ›uf den regenbogen buwen‹, so in Freidanks Lehrgedicht ›Bescheidenheit‹ (I,5):
   der hât sich selber gar betrogen
   und zimbert ûf den regenbogen;
   swenne der regenboge zergât,
   so enweiz er (weiß er nicht) wâ sîn hûs stât.
In Umkehrung dieses redensartlichen Bildes sagt man von einem besonders zuverlässigen und soliden Menschen auch: ›Man darf ein Schloß auf ihn bauen‹ ( Schloß). Volkstümlich ist die Weiterentwicklung der Redensart in der Operette ›Frau Luna‹ von Paul Lincke, wo eines der Couplets beginnt: »Schlösser, die im Monde liegen«, d.h. unerreichbar sind ( Mond). Französisch sagt man: ›bâtir des châteaux en Espagne‹, Schlösser in Spanien bauen, so schon im ›Roman de la Rose‹ (›Rosenroman‹, 13. Jahrhundert). Der Ausdruck stammt aus der Zeit, als die Mauren Herren von Spanien waren und deshalb Landgüter und Schlösser für einen Franzosen dort keinen Wert hatten. Die Redensart kam dann je nach politischer und kriegerischer Lage auch als ›châteaux en Albanie‹ (= Albion, England) oder ›chateaux en Asie‹ vor. Wander vermerkt fürs Deutsche ebenfalls ›Spanische Schlösser bauen‹.
   Auch in den Mundarten ist die Redensart verbreitet; z.B. niederdeutsch ›Mancher but Schlösser in de Luft, de keen Schithus upn Lanne buen künn‹ und schwäbisch ›Der hat gut in Himmel komme, er hat scho viel Luftschlösser baut‹. Im Rheinland heißt es: ›me mutt kein Luchtschlöter baue‹.
• A. MOREL-FATIO: »Chateaux en Espagne«, in: Etudes sur l'Espagne, 4th ser. (Paris 1925), S. 119-130; R.M. SMITH: Chaucer's ›Castles in Spain‹, in: MLN. 60 (1945), S. 39-40. A. NELSO: ›Châteaux en Espagne‹ dans le latin médiéval, in: Eranos 49 (1951), S. 159-169; S.A. GALLACHER: ›Castles in Spain‹, in: JAF. 76 (1963), S. 324-329.}
Luftschlösser – ›Seifenblasen‹. Kupferstich, 17./18. Jahrhundert: ›Sic transit gloria mundi‹.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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