Liebe

Liebe
›Liebe‹ erscheint in Sprichwörtern und Redensarten zumeist in metaphorischen Umschreibungen (s. Register). Biblisch taucht ›Liebe‹ (griechisch ›Agape‹, lateinisch ›caritas‹) sowohl als Gottesliebe wie als Nächstenliebe, Gattenliebe, Kindesliebe auf. Paulus schrieb im 13. Kapitel seines 1. Korintherbriefes (V.1 und 13): »Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz oder eine klingende Schelle ...« – »Nun aber bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen«.
   Goethe preist die sinnliche Liebe z.B. in seinem Gedicht ›Rastlose Liebe‹:
   Krone des Lebens,
   Glück ohne Ruh,
   Liebe bist du.
Novalis meint:
   Liebe ist der Endzweck
   der Weltgeschichte,
   das Amen des Universums.
Heine dichtet (›Junge Leiden‹ 8):
   Die Engel, die nennen es Himmelsfreud',
   Die Teufel, die nennen es Höllenleid,
   Die Menschen, die nennen es – Liebe!
In der heutigen Umgangssprache umschließt ›Liebe‹ eine breite Skala von Gefühlen und Bedeutungen: Liebe zu etwas haben (zeigen): Neigung, Begabung und Begeisterung zu einer besonderen Aufgabe, zu einem bestimmten Beruf, zu künstlerischer oder wissenschaftlicher Arbeit, ähnlich: Etwas mit Lust und Liebe tun: mit wahrer Hingabe, mit dem Einsatz aller Fähigkeiten und Kräfte für ein hohes Ziel; literarisch bei Goethe in ›Iphigenie‹ II,1 (Worte des Pylades).
   Liebe suchen (finden): nach Zuneigung und Verständnis verlangen (Geborgenheit und Zärtlichkeit erhalten), oft von Kindern oder Tieren gesagt.
   Jemandem Liebe (einen Liebesdienst) erweisen: ihm in Nöten beistehen, ihm Treue bewahren, in bewährter Freundschaft helfen, auch im Sinne von ›Nächstenliebe‹ gebraucht. Auf die Liebe in erotischer Hinsicht spielen viele Redensarten an, die das Gefühl treffend zu umschreiben suchen: Vor Liebe brennen, auch: In Liebe entbrennen für jemanden, Herz; In Liebe erglühen (vergehen): seine Gefühle (Leidenschaft) für jemanden entdecken, besonders von noch ›Verborgener Liebe‹ gesagt, denn ›Heimliche Liebe‹ brennt wie Feuer, wie es im Volkslied heißt:
   Kein Feuer, keine Kohle
   kann brennen so heiß
   als heimliche Liebe,
   von der niemand nichts weiß.
Vor Liebe blind sein, blind: Fehler und negative Eigenschaften des Partners nicht sehen (wollen). Dagegen heißt es im Sprichwort; ›Wo Liebe fehlt, erblickt man alle Fehler‹.
   Von der Liebe allein nicht leben können: auch materielle Absicherung benötigen, eine Mitgift erwarten.
   (Nur) von der Luft und von der Liebe leben: kaum etwas zu sich nehmen, im Wechselbad der Gefühle keinen Hunger verspüren. Die Wendung wird mitfühlend oder ironisch gebraucht, wenn jemand nichts essen möchte, weil er ›in höheren Regionen schwebt‹ und an Alltägliches, Notwendiges und Reales nicht mehr denkt.
   Seine Liebe verbergen (müssen): aus bestimmten Gründen oder Rücksichten (Scham, Aussichtslosigkeit, Furcht vor Abweisung oder auch Gefahr, eine Freundschaft, eine Ehe zu zerstören) sich nicht dem Partner offenbaren, dagegen: Seine Liebe erklären (gestehen): offen seine Neigung zu erkennen geben, auch: einen Heiratsantrag machen.
   Jemandes Liebe (nicht) erwidern: gleiche (keine) Zuneigung zu ihm hegen (ihn zurückweisen). Haben sich Liebende gefunden, heißt es oft: Es war Liebe auf den ersten (zweiten) Blick: die Erkenntnis, nicht mehr voneinander lassen zu können, füreinander geschaffen zu sein, kam plötzlich, sie ›schlug wie ein Blitz ein‹, Blitz. Einen vor Liebe (fast) erdrücken: jemanden fest umschlungen halten, aber auch: ihm seine Bewegungsfreiheit nehmen, ihn an seiner persönlichen Entfaltung hindern.
   Jemanden mit Liebe überschütten: ihn unglaublich verwöhnen, ihm ›Jeden Wunsch von den Augen ablesen‹, Auge, oder gar: Einen (am liebsten) vor Liebe (auf)fressen (wollen), eine schon in mittelhochdeutscher Zeit bekannte Wendung.
   Liebe und Leid teilen (wollen): alle Freuden und Leiden gemeinsam erleben (wollen), sich eine gemeinsame Zukunft aufbauen.
   Sich gegenseitig die Liebe bewahren: sich auch bei Trennung, über einen langen Zeitraum (das ganze Leben) treu bleiben, seine Gefühle nicht erkalten lassen, so daß es bei einem Wiedersehen heißen kann: Ihre Liebe war ist) lebendig wie am ersten Tag. Häufiger geschieht jedoch das Gegenteil: Jemandes Liebe ist erloschen (erkaltet, erstorben).
   Besonders häufig sind die Wendungen: Jemandem etwas zuliebe tun: ihm eine Gefälligkeit erweisen; Das tut (doch) der Liebe keinen Abbruch: das ist nicht so schwerwiegend, das macht gar nichts, und Das macht der Liebe (noch) kein Kind: es ist erlaubt, unschädlich, das ist doch nicht schlimm.
   Viele Sprichwörter preisen die Liebe: ›Liebe überwindet alles‹ – ›Omnia vincit amor‹; ›Liebe ist stärker als der Tod‹; ›Liebe höret nimmer auf‹; ›Liebe grünt immer‹; in Schillers ›Lied von der Glocke‹ (V. 78-79) heißt es ähnlich:
   O daß sie ewig grünen bliebe,
   Die schöne Zeit der jungen Liebe!
›Alte Liebe rostet nicht‹; ›Liebe ist (macht) erfinderisch‹; ›Liebe bringt alles ins rechte Lot‹, Lot; ›Liebe lehrt singen‹; ›Liebe haßt die Angst‹; ›Liebe macht Gegenliebe‹.
   Oft wird auch vor der Liebe gewarnt: ›Keine Liebe ohne Leid‹, so schon in der mittelhochdeutschen Dichtung: »lieb âne leit mac niht gesîn« (von Eist); ›Kurze Liebe – langes Leid‹; oder es heißt humorvoll- resignierend: ›Wider die Liebe ist kein Kraut gewachsen‹; ›Der Liebe und dem Tode kann niemand entgehen‹; ›Die Liebe macht kluge Leute zu Narren‹; ›Die Liebe und der Husten lassen sich nicht verbergen‹; ›Wo die Liebe hinfällt, da bleibt sie liegen, und wär' es ein Misthaufen‹.
   ›Liebe geht durch den Magen‹, Magen. ›Ein Kind der Liebe sein‹, Kind.
• A. DE COCK: Spreekwoorden en zegswijzen over de Vrouwen, de liefde en het huwelijk (Gent 1911); M. BAUER: Liebesleben in deutscher Vergangenheit (Berlin 1924); L. RÖHRICH: Lie-
besmetaphorik im Volkslied, in: Folklore International. Essays in Traditional Literature, Belief and Custom in Honor of Wayland Debs Hand (Hatboro/Pa. 1967), S. 187-200; Liebe und Hochzeit. Aspekte des Volkslebens in Europa (Antwerpen 1975); E. BORNEMAN: Lexikon der Liebe (Frankfurt/M. 1978); L. RÖHRICH: Artikel ›Ehe‹, in: Enzyklopädie des Märchens III, Spalte 1023-1042; W. MIEDER: Moderne Varianten des Blumenorakels »Er (sie) liebt mich, er (sie) liebt mich nicht« (mit 4 Abbildung), in: Jahrbuch für Vlf. 27/28 (1982/83) (= Festschrift Röhrich), S. 335-345; L. RÖHRICH: Artikel ›Erotik, Sexualität‹, in: Enzyklopädie des Märchens IV, Spalte 234-278; W. MIEDER: Modern Variants of the Daisy Oracle ›He loves me, he loves me not‹, in: ders.: Tradition and Innovation in Folk Literature (Hannover/New York 1987), S. 84-117.
Liebe macht blind. Emblematischer Kupferstich, aus: Cats and Farlie, Page 137.
Liebe grünt immer. Emblematischer Kupferstich, aus: Octavio van Veen: Amoris Divini Emblemata, Antwerpiae 1660.
Liebe haßt die Angst. Emblematischer Kupferstich (Hase als Symbol der Furcht und Ängstlichkeit), aus: Octavio van Veen: Amoris Divini Emblemata, Antwerpiae 1660, Page 107.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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