Korb

Korb
Einen Korb bekommen, auch Sich einen Korb holen: bei einem Liebes- oder Heiratsantrag abgewiesen werden. Literarisch bei C.F. Meyer (›Der Schuß von der Kanzel‹, 1877): »Das Mädchen also gab Euch einen Korb«. Älter ist die Wendung ›Durch den Korb fallen‹. In der Bedeutung ›mit einem Liebesantrag abgewiesen werden‹ erklärt sie sich aus der mittelalterlichen Sitte, daß ein Mädchen einem ihr nicht genehmen Freier einen Korb, dessen Boden gelockert war, von ihrem Fenster an einem Seil hinunterließ. Wurde er nun in diesem Korb hinaufgezogen, so mußte er zwangsläufig ›durchfallen‹; ›durch den Korb fallen‹ kennt auch Martin Luther (Erlanger Ausgabe 47, 225). Vgl. hierzu den bekannten mittelalterlichen Schwank von Virgil (Gesamtabenteuer II,5 18), den die Tochter des Kaisers dem öffentlichen Spott preisgibt, indem sie ihn unter Vorspiegelung eines Liebesabenteuers in einem Korb sitzend zu sich heraufziehen will, ihn jedoch auf halber Höhe bis zum Morgen hängen läßt. Auch Thomas Murner erzählt dieses Abenteuer Virgils in der Satire ›Geuchmatt‹ (V. 4641):
   Virgilius bult eine schöne magt,
   Die hat jn vff ein nacht vertagt
   Und jm ein solchen bescheidt gesagt:
   Er solt zû einem fenster gon,
   Da wolt sy ein korb aber lon,
   Daryn solt er sich setzen schon.
   Er thet das selb on allen argwon.
   Als sy in halber vff hyn zoh,
   Das lüstig wyb von dannen floh
   Vnd ließ ihn hangen an der wend,
   Das er offlich da wardt geschendt
   Vnd yederman das selber seyt,
   Das er do hing, vmb wybs bescheid.
Von Studenten auf das Examen übertragen, findet sich in den ›Facetiae facetiarum‹ (1657, 334) vulgärlateinisch ›corbissare‹ = durchs Examen fallen (lateinisch corbis = der Korb). Im Schlesischen gebrauchte man statt der Redensart ›einen Korb bekommen‹ das Zeitwort ›korbisiren‹ (Wencel Scherffer, ›Gedichte‹ 568, 609). Im 17. und 18. Jahrhundert findet sich die Sitte nur noch mit der Abschwächung, daß das Mädchen dem unbequemen Werber als abweisende Antwort einen bodenlosen Korb ins Haus schickte, was dieser als ›bodenlose‹ Gemeinheit (Frechheit) auffassen konnte. Es gab auch den Korb-Pranger, den Schandkorb, z.B. bei Bäckern, die zu kleine Brötchen gebacken hatten: sie wurden in einem Korb ins Wasser getunkt. In abgeschwächter Form sagt man auch ›Ein Körbchen flechten‹, wenn man jemandem etwas auf zarte Weise abschlagen will (vgl. auch Abraham a Sancta Clara, ›Reim dich‹ 20, wo es heißt: »Einem ein Körbel geben«).
   Auch mit einem Tanzbrauch können diese Redensarten in Verbindung stehen. So gibt es im Niederdeutschen noch zahlreiche Volkstänze, die auf Festlichkeiten gepflegt werden, z.B. Spiegeltanz, Besentanz und Korbtanz. Sie erfreuen sich großer Beliebtheit. Beim ›Korbtanz‹ hält ein Mädchen, das auf einem Stuhl sitzt – vor allen sichtbar einen Korb auf dem Schoß. Zwei junge ›Werber‹ erbitten von ihr den nächsten Tanz. Einem wird Erfüllung, dem anderen reicht sie den Korb und bietet ihm ihren Platz an. Das Spiel geht nun mit vertauschten Rollen weiter. Körbe dienten u.a. zum Einsammeln der Hochzeitsgeschenke; ›corbeille de marriage‹ bedeutet im Französischen die Gesamtheit der Geschenke. In der Oberpfalz wird dem Zurückgewiesenen ›ein Korb gesteckt‹, d.h. aufgesteckt, mit einer Strohfigur darin; in der Eifel muß einer, der ein Mädchen sitzenläßt, durch einen alten Korb kriechen, und in verschiedenen Gegenden Deutschlands kann man noch heute auf den Bericht: ›Ich habe einen Korb gekriegt‹, die Replik hören: ›Einen Korb kann man schon kriegen, aber einen Boden muß er haben‹. In der Komödie ›Amantes amentes‹ (I,5) von 1609 bei Rollenhagen heißt es ähnlich: »dor den korff stiegen«, d.i. durch den Korb (ohne Boden) steigen und durchfallen, einen Korb bekommen. Ebd. I,5: »Heffe gy de kype (d.i. Korb) gekregen«, habt ihr einen Korb bekommen, und III,4: »de kype geben«. Hier findet auch der Ausdruck ›durchfallen‹ seine Erklärung, von einem Prüfling gesagt: wen der prüfende Teil nicht für gut befindet, den läßt er durchfallen wie das Mädchen den unwillkommenen Werber. Schon bei Joh. Pauli: »Also fiel der gut Herr (der Prüfling im Examen) durch den Korb«. In der ›Historie vom reichen Mann und armen Lazarus‹ (1555) erzählt der Verfasser von seinem Studium:
   Da ich nun meint zu promovirn,
   Setzt mich in Korb, ließ mir hoffieren,
   Platsch, fiel ich durch den Korb hinweg
   Und lag hienieden in dem Dreck.
Das Wasser geht über die Körbe ist eine volksetymologische Umdeutung von ›Korven‹. In den ›Proverbia communia‹ heißt es: Wenn das Wasser über die Korven geht, soll man das Schiff osen (ausschöpfen). ›Korven‹ ist ein Lehnwort aus lateinisch curvus und bezieht sich auf die gekrümmten Spanten im Schiffsboden. Die Redensart stammt aus dem Seewesen und bedeutet, daß man in der Gefahr mit Rettungsmaßnahmen nicht zögern soll. Die übertragene Verwendung der Redensart findet sich bereits bei Geiler von Kaysersberg: »wann ein rad über ein bein gat oder das Wasser über die Körb, so wird man witzig« (= klug). Auch Luther kennt sie: »die weil das Wasser will über die Körbe gehen und untugend mit untüchtigen untergehen«. Eine andere Erklärung ließe sich aus dem Flechtwerk zum Schutze der Dämme herleiten, das auch als ›Körbe‹ bezeichnet wird. Für die Bedeutung der Redensart ergibt sich hieraus jedoch keine Änderung, denn die Gefahr ist ebensogroß, wenn das Wasser die Schutzwehr überflutet.
   Zu tief in den Korb greifen: sich zuviel herausnehmen, anmaßend sein, aufschneiden; ist heute kaum mehr gebräuchlich; früher hieß es › Kober‹ statt ›Korb‹.
   Ins Körbchen gehen (Husch, husch ins Körbchen!): Zu Bett gehen; die Redensart bezieht sich ursprünglich wohl auf den Hund, dessen Schlafstelle ein Körbchen ist, oder auf die Hühner, deren Nest wie ein Korb geflochten war, vgl. ›Hahn im Korbe‹, Hahn.
• R. HILDEBRAND: Wie die Sprache altes Leben fortführt, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 5 (1891), S. 122-123; HABERLANDT: Artikel ›Korb‹, in: Handbuch des Aberglaubens V, Spalte 241-246; RÖHRICH-BREDNICH: Deutsche Volkslieder I, S. 272ff.; W. DANCKERT: Symbol, Metapher, Allegorie im Lied der Völker, II (Bonn – Bad Godesberg 1977), S. 550-574, besonders 564ff.; CHR. WILL: Die Korbflechterei
(München 1978).
Im Korb hängenlassen. Zeichnung von Wilhelm Busch: ›Das gestörte Rendezvous‹. Aus: Mechtild Fuchs, Freia Hoffmann und Barbara James: Deutsches Volkslied. Das allzubekannte Unbekannte. Arbeitsbuch für die Sekundarstufe II, Stuttgart 1983, S. 46.
Durch den Korb fallen. Detail aus dem Sprichwörterbild von P. Bruegel, 1559.
Im Korb hängenlassen. Holzschnitt von Lucas van Leyden, ca. 1520.
Im Korb hängenlassen. Detail aus dem Maltererteppich ›Weiberlisten‹, 1310/20: ›Virgil im Korb‹, Freiburg i. Br., Augustinermuseum.
Jemandem einen Korb geben. Holzschnitt von Ludwig Richter zu: Alte und Neue Volkslieder mit Bildern und Singweisen, herausgegeben von L. Richter und A.E. Marschner, Leipzig (1846). Aus: Das Ludwig Richter Hausbuch, München 1976, S. 224.

Das Wörterbuch der Idiome. 2013.

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  • Korb [2] — Korb, in der Luftschiffahrt der unter dem Ballon hängende zur Aufnahme von Personen und Lasten bestimmte Behälter. Derselbe wurde ursprünglich aus Holz in Schiffsform gezimmert und erhielt danach den Namen Gondel. In England trat sehr bald an… …   Lexikon der gesamten Technik

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